Die Kirche "Zum guten Hirten" auf dem Friedrich-Wilhelm-Platz in Friedenau
Freier Zugang – Rechte vorbehalten

Die Kirche "Zum guten Hirten" auf dem Friedrich-Wilhelm-Platz in Friedenau

Das Blatt gehört in eine Reihe von Bildern aus den Jahren 1913 bis 1916, die in splittrigen, wankenden Formen ein Zerrbild der Stadt spiegeln, dabei aber noch immer von einer konkreten topographischen Situation ausgehen. Meist handelt es sich um Straßenszenen aus dem Südwesten Berlins - Wilmersdorf und Friedenau -, wo Meidner in ärmlichen Verhältnissen lebte. 1913 hatte er ein Atelier in der Wilhelmshöher Straße 21 in unmittelbarer Nachbarschaft zum hier dargestellten Motiv. Die Backsteinkirche "Zum guten Hirten" war 1892/93 von Carl Doflein an städtebaulich prominenter Stelle, inmitten einer Ausbuchtung der Kaiserallee (heute Bundesallee) - dem Friedrich-Wilhelm-Platz - erbaut worden. Auf Meidners Darstellung fällt der Blick von einem erhöhten Stadtpunkt aus nordöstlicher Richtung auf Chor und Seitenschiff des Gebäudes sowie auf den östlichen Teil des sich hier verzweigenden Straßenzuges. Passanten huschen schemenhaft an taumelnden Laternen vorbei, im Hintergrund scheinen die Häuser einzustürzen, am Himmel zeigen sich zerfetzte Wolkenformationen, und auch die Kirche schwankt bedrohlich, wie die Verdoppelung der Konturen von Turm und Giebel anzeigt. Dabei gewinnt Meidner der Aquarelltechnik besondere Effekte ab: Deckende Pinselstriche stehen neben solchen, die in noch nasse Partien gesetzt wurden und sich dadurch vermischen, was den transitorischen Moment der Erschütterung hervorhebt.
(Dominik Bartmann, in: Ursula Cosmann (Hrsg.), Zeichenkunst aus drei Jahrhunderten, Berlin 2004, S. 184)

Die Bildrechte des Künstlers Ludwig Meidner werden durch das Ludwig Meidner Archiv, Jüdisches Museum der Stadt Frankfurt a. Main vertreten
Sammlung
Abmessungen
Blattmaß H: 60,5 cm B: 43,8 cm
Ort, Datierung
Berlin, November 1913
Inventarnummer
GHZ 82/1
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